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Reisebericht Fukuoka Teil 2: Tagesausflug nach Nagasaki

Am nächsten Morgen verlassen wir schon früh das Appartement, um nach Nagasaki zu fahren. Die beiden Städte sind rund hundertfünfzig Kilometer von einander entfernt. Die Verbindung ist gut, stündlich fährt der Kyushu-Express. In dem riesigen Bahnhof Hakata Station duftet es wieder nach frischen Croissant, hektisches Treiben überall.

Die separate Tickethalle ist knallvoll, wir stellen uns an der langen Schlange an. Damit hatten wir nicht gerechnet. Vermutlich werden wir einen Stunde anstehen müssen. Zum Glück stellen wir schon nach zehn minütigem Warten fest, dass wir in der Halle für die Züge nach Norden stehen. Es ist einfach saupraktisch, wenn man einen Nativspeaker dabei hat! In der zweiten Tickethalle für die Verbindungen nach Süden ist es nicht annähernd so voll und wir bekommen schnell unsere Fahrkarten. Für die Hinfahrt haben wir keine Reservierungen bekommen und sind ein wenig in Sorge, ob wir die gesamte Fahrt stehen müssen. „Das mache ich auf keinen Fall“, murrt der Sohn. Die Sorgen sind unbegründet. Der Zug besteht zur Hälfte aus Wagons mit freien Sitzplätzen. Wer früh genug am Bahnsteig ist, steht weit vorne in der extra eingezeichneten Anstelllinie und hat gute Chancen auf einen Sitzplatz. Der kleine Kiosk auf dem Bahnsteig verkauft Snacks. Er ist rundum behängt mit kleinen Tütchen voller Leckereien. Theoretisch könnte man sich vom Verkäufer unbemerkt einfach eine Tüte abnehmen und weggehen. Aber wir sind in Japan, da macht man das nicht, es gibt so gut wie keinen Diebstahl. Alle wissen und leben das. Ein schönes Gefühl. Reisende lassen beim verlassen des Platzes während der Zugfahrt die Tasche offen auf dem Sitzplatz stehen.

Unser Zug heißt Limited Kamome Train und hat ein einzigartiges, ausgefallenes Design. Mit Böden aus Parkett, Sitzen aus schwarzem Leder und ausklappbaren Tischchen aus Vollholz fühlen wir uns fast wie in einem Herrenclub. In den Rückenlehnen der Vordersitze befinden sich kleine Täschchen für die Tickets. Der Schaffner nimmt das Ticket bei der Fahrkartenkontrolle dort heraus, entwertet es und steckt es anschließend wieder ein. So können die Fahrgäste ungestört lesen, schlafen oder wie ich aus dem Fenster schauend die vorbeiziehende Landschaft in sich einsaugen.

Die Route von Fukuoka, Hakata Station nach Nagasaki führt durch ländliche Gegenden und lange Zeit entlag der Ufer der Ariake See .

Route_Fukuoka_Nagasaki

Wir fahren vorbei an kleinen Häuschen, landwirtschaftlich bewirtschaftet Flächen, Landschaften mit skurrilen Hügeln, die mich an die schwebenden Inseln aus der Zeichentrickserie „die Drachenjäger“ erinnern. Zwischen winterlich brach liegenden Feldern und kleinen dörflichen Häusersammlungen gibt es Haine mit dichten Bambuswäldern.

Als die Ufer der Ariake See erscheinen, sehe ich endlich zum ersten Mal auf dieser Reise das Meer. Genau genommen handelt es sich um eine Bucht des Ostchinesischen Meers, die sich weit ausbreitet und somit die größte Bucht Japans bildet. Das Gewässer ist relativ flach hat aber mit sechs Metern einen hohen Tidenhub, durch den sich bei Ebbe ausgedehnte Wattebenen bilden. Von meinem Fenster aus habe ich einen tollen Blick auf die Küstenlandschaft und die Nori-Anbaufelder. Zweidrittel der in Japan produzierten Gesamtmenge dieser köstlichen Algen stammen von hier.

Von Hakata kommend mutet Nagasakis Bahnhof klein an. Wir gehen direkt zum Ticketschalter bei dem die Tageskarten für die Straßenbahnen verkauft werden. Das Straßenbahnnetz mit seinen kleinen Straßenbahnen, die auf vier verschiedenen Routen fahren, verbinden alle Sehenswürdigkeiten der Stadt miteinander.

Am Abend vorher hatte ich einen kleinen Tages-Tour-Tagesplan erstellt. Meine beiden Lieblingsmenschen sind immer etwas genervt, wenn ich das tue, aber in Nagasaki gibt es so viel zu sehen und der Tag ist kurz, da braucht es etwas Struktur. Wir sind sofort begeistert von der schönen Stadt. Auf dem Weg zur Tempelstraße überqueren wir den Fluss Naka in dem Kois schwimmen. Wir laufen durch kleine Gässchen mit vielen Restaurants und Souvenirshops. Viele Häuschen haben offene Garagen, in den man Obst, Gemüse, Fisch und frische Omochi – kleine Reisklößchen – kaufen kann. Zur Stärkung kehren wir in ein kleines Restaurant mit traditioneller japanischer Küche ein. Der Sohn kann unter dem kleinen Tisch kaum seine Beine zusammenfalten und die Chefin des Hauses guckt erst entspannt, als ich sie auf japanisch anspreche.

Nach der köstlichen Stärkung sind wir bereit für Punkt eins auf meiner Nagasaki-must-have-seen-list: der Tempelstraße „tera-machi-dori“.

Ein wenig oberhalb Nagasakis in die Hügel eingebaut liegen Tempel an Tempel. Der Ort  ist wunderschön und zwei Tage vor Neujahr fast menschenleer.
Für mich ist es the place to be. Überwältigt von der Schönheit der Gebäude, wie sie sich in die Umgebung einfügten, den verspielten Details, den Steinfiguren in ihren kleinen Mäntelchen, den goldenen Inschriften, den Palmen und südlichen Gewächsen, verbringen wir eine Ewigkeit dort. Wir gehen in jeden Tempel, jeden Schrein, jeden Friedhof. Ach, wen interessieren schon irgendwelche what-you-must-see-timetable?

Ich kann gar die Schönheit nicht in Worte fassen und lasse einfach die Bilder sprechen.

Überall in Japan gibt es solche kleinen Schreine. Die kleinen Steinfiguren sind meistens mit roten Mützchen und Mäntelchen angezogen. Das Swastika kannte ich vor meinen Reisen nach Japan nur aus dem Geschichtsunterricht. Dementsprechend erschrocken war ich, als ich es das erstemal sah. Aber das Symbol ist uralt. Verschiedene Quellen geben die Zeit seit der Existenz in einer Spanne von drei- bis zu zehntausend Jahre an. Im Buddhismus ist es ein religöses Glückssymbol.

Kofukuji – der älteste chinesische Zen Tempel Japans. Erbaut in 1620 beten hier die Menschen seither für die Sicherheit der Seereisenden zwischen China und Nagasaki.

Schweine sind nicht willkommen im Tempel, deshalb die kleine Stolperfalle am Eingang – wenn es nur immer so einfach wäre die Schweine auszuschließen.

Und da war es wieder, dieses Hausschuhding.

Glittering gold auf dem Friedhof.

Ein Kindergarten im Tempel mit Basketballkorb im Hof.

Zum Abschluss der Tempeltour besichtigen wir den Sofukuji – Tempel. Sofukuji ist ebenfalls ursprünglich ein chinesischer Tempel und darüberhinaus ein gutes Beispiel für die Tempelarchitektur der Ming Dynastie.

Nagasaki war in den Jahren der Abschottung Japans von 1635 bis 1853 das einzige Tor zur Außenwelt. Hier durfte Handel getrieben werden mit China, Korea und den Niederlanden. Deshalb gibt es hier die chinesischen Tempel, Chinatown und viele christiliche Kirchen.

Lange Zeit stand hier auch die älteste Kirche Asiens. Bis am Morgen des 9. August 1945 um zwei Minuten nach elf fünfhundert Meter über der Stadt eine Atombombe explodierte. Die extreme Druckwelle der Detonation, Hitzestrahlen von mehreren tausend Grad und die freiwerdende Radioaktivität machten ein Drittel der Stadt innerhalb von Sekunden dem Erdboden gleich.  150.000 Menschen starben oder wurden verletzt. Was Menschen Menschen antun. Es ist beklemmend.

Direkt nach dem Einschlag dachte man, es gäbe fünfundsiebzig Jahre lang kein Vegetation mehr, aber tatsächlich wuchsen die Pflanzen sehr schnell wieder und heute gibt es keine Strahlung mehr in Nagasaki. Die Stadt ist zu einem Symbol für den Frieden geworden.  Detaillierte Informationen gibt es im Atombomben-Museum und im Friedenspark. Das Museum hatte geschlossen, deshalb habe ich nur zwei Bilder vom Eingang, von draußen fotografiert, gegen die spiegelnde Scheibe.

Die Kraniche sind ein Symbol für Frieden und Hoffnung.

Der Friedenspark wurde 1955 als Mahnmal der Menschen rund um das Hypozentrum des Bombenabwurfs errichtet.

An der Statue für den Frieden verliest der Bügermeister Nagasakis jährlich die Friedensdeklaration an die Welt.

Das Hypozentrum

Obwohl der Ort an ein fürchterliches Ereignis erinnert, ist er durch die Konzentration auf den Weltfrieden ein positiver Ort. Wir verlassen ihn trotz des furchtbaren Themas mit einem positiven Gefühl.
Als wir weiterziehen, beginnt es schon langsam zu dämmern. Die Fahrt mit der Seilbahn für den Panoramablick auf die Stadt wird schweren Herzens von der must-see-Liste gestrichen. Weiter geht es nach Chinatown.

Am Ende dieses perfekten Tages essen wir noch ein köstliches Tonkatsu – Schnitzelchen in einem traditionellen japanischen Restaurant, um dann mit vollen Bäuchen und den Köpfen voller Bilder im schicken Kamome – Express zurück nach Hakata zu brausen.

Jamata – bis bald.

Pia
>j<

 

 

 

 

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